Agiles Projektmanagement ist ein gefragter Trend. Unternehmen richten immer mehr Abteilungen „agil“ aus, von Beratern werden zunehmend Projekte nach agiler Methodik eingefordert. Mit gutem Grund: Agile Methodik hat einen hohen Kunden- beziehungsweise Endnutzerfokus – im weiteren Sinne ist der Kunde immer derjenige, der einen Prozess, ein Produkt oder einen Service anschließend in Anspruch nehmen soll. Der Kunde - und bei Projekten rund um die digitale Transformation insbesondere der User - weiß oftmals zu Beginn des Projekts noch nicht alle Details, die vom Endprodukt (beziehungsweise Scope) erwartet werden und welche weiteren Möglichkeiten tatsächlich bestehen. Agiles Projektmanagement erlaubt es, sich in einem komplexen und stetig ändernden Umfeld in Iterationen dem Endzustand zu nähern, ursprüngliche Ideen wieder zu verwerfen und durch kontinuierliches Feedback zu überarbeiten. Änderungen sind Teil des Vorgehens und basieren auf den bis dahin gewonnenen Erkenntnissen.
Im klassischen Projektmanagement ist diese Herangehensweise undenkbar. Der Scope, also der Zielzustand und das Endprodukt, sind von vornherein fest definiert. Im klassischen Projektmanagement wird detailliert festgehalten, welchen zeitlichen Umfang und welche Ressourcen die Herstellung des Zielzustands erfordern. Für eine Änderung des Zielzustands ist im Projektverlauf wenig Spielraum und erfordert häufig einen Change Request, einen formalen Beschluss über die notwendige Änderung und deren Einfluss auf Zeit und Budget. In der Regel wird Feedback vom Kunden oder User deutlich später eingeholt, als dies bei der agilen Herangehensweise der Fall ist. Erfolgt das Feedback erst in der Go-Live Phase eines technisch geprägten Projekts, beispielsweise bei der Einführung eines ERP-Systems oder von Prozessautomatisierungen, sind die Kosten einer Änderung unverhältnismäßig hoch und nur unter erschwerten technischen Bedingungen möglich.
Die kundenfokussierte agile Herangehensweise in Projekten bietet Vorteile für den Kunden beziehungsweise Enduser, minimiert oftmals das Risiko hoher Fehlerbeseitigungskosten, und lässt Spielraum zur Nutzung zusätzlicher Potentiale. Gleichzeitig erfordert „agile“ eine Unternehmenskultur, in der durch die Augen des Kunden beziehungsweise Endusers auf ein Problem und das Produkt geschaut wird, diese stark involviert und in welcher negatives Feedback nicht als Problem, sondern als Chance betrachtet wird. Agiles Projektmanagement erfordert ein hohes Maß an Flexibilität und offener Feedbackkultur, sowohl für Projektteams, als auch für Führungskräfte.
Entgegen des Trends ist aber nach wie vor fraglich, ob agiles Projektmanagement per se die bessere Alternative ist und in gewachsenen Strukturen wirklich immer zum gewünschten Ziel führt. Gerade im Finanzbereich sind technisch geprägte Transformationsprojekte häufig auch regulatorisch getrieben oder technisch dringend notwendig – für einen variablen Scope, der sich allein an den Bedürfnissen der User orientiert, ist in solchen Fällen nur bedingt Spielraum. Das bedeutet aber keinesfalls, dass die Umsetzung nicht in Iterationen erfolgen kann und statisch und linear ohne Reviews mit Kunden beziehungsweise Endusern von statten gehen muss. Die klare Definition des Zielzustands ist in vielen Projekten erforderlich, sollte aber eher als „technische beziehungsweise regulatorische Rahmenbedingung“ verstanden werden. Langjährige Mitarbeiter, deren Erfahrung für fachliche Fragestellungen relevant ist, fühlen sich möglicherweise in der Projektarbeit wohler, wenn die Herangehensweise im klassischen Stil einen klaren Zielzustand vorgibt. Gleichzeitig muss für eine erfolgreiche Projektarbeit entsprechend des agilen Projektmanagements das „Bestrafen von Fehlern“ kritisch hinterfragt und durchbrochen werden. Je früher Verbesserungspotentiale erkannt werden, desto leichter und günstiger ist die Umsetzung der Verbesserung. Je häufiger Verbesserungspotentiale erkannt werden, desto stärker ist der Endzustand am Kunden oder User ausgerichtet.
In der Praxis wird sich in Abhängigkeit von Aufgabenstellung und Unternehmenskultur häufig wohl eher ein hybrides Projektmanagement ergeben, welches klare Vorgaben macht, aber offen für Verbesserungen ist und einen gewissen Iterationscharakter verfolgt. In regulierten Branchen und Unternehmensbereichen können beim Zielzustand oftmals keine wirklichen Abstriche gemacht werden, wohl aber die Kunden- oder Nutzerfreundlichkeit (User Experience) zusätzlich in den Fokus gerückt werden. Bei Ihrem nächsten Projekt im Finanz- und Rechnungswesen sollten Sie sich also mit beiden Herangehensweisen vertraut und diese für den Projekterfolgt optimal zu Nutze machen.
#digitalfuture #finance
Ihr Kontakt zu uns
Sie haben Fragen zu unseren Services oder der WTS Advisory? Wir freuen uns auf Ihre Nachricht oder Ihren Anruf!