Mit dem Green Deal hat sich die EU zum Erreichen verschiedener umweltpolitischer Ziele verpflichtet. Insbesondere um bis 2050 CO2 -neutral zu werden, soll in Europa eine modernere, ressourcenschonendere und gleichzeitig wettbewerbsfähige Wirtschaft geschaffen werden. Die für diese Transformation erforderlichen Investitionen übersteigen das Finanzierungspotential der öffentlichen Haushalte bei weitem. Auf Basis des in 2018 verabschiedeten Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums wurden inzwischen die ersten drei Bausteine für ein nachhaltiges Finanzwesen geschaffen:
1) Ein System zur Klassifizierung von wirtschaftlichen Aktivitäten, die erheblich zum Erreichen der Umweltziele beitragen (EU-Taxonomie). Damit soll Nachhaltigkeit eindeutig definiert werden, um „Greenwashing“ zu vermeiden.
2) Ein umfassendes Regelwerk zu Offenlegungspflichten für Unternehmen des Finanzsektors (SFDR – Sustainable Finance Disclosure Regulation) und ein Entwurf zur Nachhaltigkeitsberichterstattung aller großen Kapitalgesellschaften (CSRD – Corporate Sustainability Reporting Directive). Damit sollen Investoren Informationen erhalten, aufgrund derer sie fundierte Entscheidungen über nachhaltige Investitionen treffen können.
3) Die Entwicklung eines umfassenden Instrumentariums (z.B. Referenzen, Normen, Gütesiegel), das es Unternehmen und Finanzintermediären ermöglicht, nachhaltige Investitionen zu entwickeln. Gleichzeitig wird für alle Marktteilnehmer eine Transparenz geschaffen, die vornehmlich der Vermeidung von „Greenwashing“ dienen soll.
Die EU will nun eine neue Phase ihrer Strategie für ein nachhaltiges Finanzwesen einleiten. Die neuen Maßnahmen reflektieren ein besseres Verständnis davon, was zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele notwendig ist und adressieren Änderungen im globalen Kontext. Die Weiterentwicklung der Strategie umfasst vier Kernbereiche:
1) Die Finanzierung nachhaltigen Wachstums soll nicht nur wirtschaftliche Tätigkeiten umfassen, die schon nachhaltig sind, sondern auch Zwischenschritte auf dem Weg zur Nachhaltigkeit. Hierzu wird erwogen, den Rahmen der EU-Taxonomie entsprechend auszuweiten.
2) Die Inklusivität des nachhaltigen Finanzwesens soll dadurch verbessert werden, dass die Bedürfnisse kleiner und mittelgroßer Unternehmen stärker berücksichtigt werden. Insbesondere soll deren Zugang zu „grünen“ Krediten und Hypotheken verbessert werden. Zur Inklusivität zählt zudem das Vorantreiben der Sozialtaxonomie und die Unterstützung der Länder in der EU beim „Green Budgeting“.
3) Der Finanzsektor soll seine wirtschaftliche und finanzielle Resilienz gegen Nachhaltigkeitsrisiken stärken und gleichzeitig seinen Beitrag zur Nachhaltigkeit erhöhen. Die EU will zusammen mit der European Finance Reporting Advisory Group (EFRAG), der European Securities and Markets Authority (ESMA) und dem International Accounting Standards Board (IASB) erarbeiten, wie Nachhaltigkeitsrisiken in Jahres- und Konzernabschlüssen bei Ansatz und Bewertung angemessen widergespiegelt werden können. Gleichzeitig sollen ESG-Faktoren stärker in den Risikomanagementsystemen der Unternehmen berücksichtigt werden. Dabei sind im Sinne der doppelten Wesentlichkeit beide Sichtweisen (inside-out und outside-in) gleichberechtigt anzuwenden. Zur Erhöhung des Beitrags des Finanzsektors will die EU die Offenlegung der Nachhaltigkeitsziele für die Übergangsphase konkretisieren und die Zuverlässigkeit und Vergleichbarkeit von ESG-Ratings erhöhen. Beide Maßnahmen dienen hauptsächlich der Vermeidung von „Greenwashing“.
4) Durch das Schaffen eines internationalen Konsenses, insbesondere für die Taxonomie, die Offenlegungspflichten und das Konzept der doppelten Wesentlichkeit, soll die Finanzierung nachhaltigen Wachstums global und ambitioniert vorangetrieben werden.
Mit der Weiterentwicklung der Strategie zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums adjustiert die EU ihre Vorgehensweise, um erkannten Verbesserungsbedarf umzusetzen. Gleichzeitig will sie damit aufzeigen, wie der Green Deal im Finanzbereich, den sie als den entscheidenden Hebel für den Erfolg der Transformation ansieht, weiter umgesetzt werden soll. Darüber hinaus will die EU sicherstellen, dass alle Unternehmen ihre Transformationsphase zur Nachhaltigkeit unabhängig von ihrem Ausgangspunkt finanzieren können. Damit sollen nicht nur das Erreichen des Ziels, sondern bereits Erfolge auf dem Weg dorthin honoriert werden.
Autor: Harald v. Heynitz
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