Mit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine hat sich der Trend steigender Inflationsraten seit März 2022 deutlich verstärkt. Haupttreiber dieser Entwicklung ist insbesondere der extreme Anstieg der Energiepreise. Die Inflationsrate in Deutschland lag im Februar 2023 bei +8,7 % (ggü. dem Vorjahresmonat) und verharrt seit elf Monaten oberhalb von 7,0 %. Für das Jahr 2023 prognostiziert das Ifo Institut die Inflationsrate mit 6,2 %.
Vor dem Hintergrund ihres primären Ziels der Preisniveaustabilität mit mittelfristigen Inflationsraten von 2,0 % p.a. erhöhte die Europäische Zentralbank den Leitzins in sechs Schritten und hat damit nach über zehn Jahren der „Null-Zinspolitik“ deren Ende eingeleitet.
Aktuell liegt der Leitzins bei 3,50 %. Diese Zinserhöhungen ließen auch den sog. risikolosen Basiszins nach der Svensson-Methode auf 2,25 % (gerundeter 3-Monatsdurchschnitt) bzw. stichtagsgenau auf 2,17 % (jeweils zum 16.03.2023) ansteigen. Des Weiteren haben die Leitzinserhöhungen dazu geführt, dass Geschäftsbanken ihre Zinssätze für Kredite erhöhten.
Die anhaltende Inflation sowie das steigende Zinsniveau beeinflussen sowohl die Unternehmensplanungen als auch die Kapitalkosten. Dabei spielen das Geschäftsmodell, die Branche sowie die Marktposition eine maßgebliche Rolle. Die Auswirkungen der Inflation können das Niveau der bewertungsrelevanten Cashflows reduzieren, wenn die Preissteigerungseffekte auf der Beschaffungsseite nicht vollständig durch entsprechende Preiserhöhungen auf der Absatzseite an die Kunden weitergegeben werden können. Darüber hinaus führen erhöhte Risiken zu einer höheren Volatilität der Cashflows. Diese Entwicklungen sollten kritisch hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit untersucht werden, um die Auswirkungen auf die Cashflows angemessen zu berücksichtigen. Daher werden Szenarioanalysen bzw. Simulationsanalysen im Bewertungsmodell empfohlen
Der deutliche Anstieg des allgemeinen Zinsniveaus und der Inflation hat ebenfalls Auswirkungen auf die Kapitalkosten (Eigen- und Fremdkapitalkosten), mit denen die bewertungsrelevanten Cashflows abgezinst werden. Zum einen bestehen unmittelbare Auswirkungen auf den Basiszinssatz und die Marktrisikoprämie (beides Komponenten der Eigenkapitalkosten). Die Marktrisikoprämie ergibt sich aus der Differenz von erwarteter Marktrendite und risikolosem Basiszins. Empirisch zeigt sich, dass sich die aus den deutschen bzw. europäischen Aktienmärkten ableitbaren impliziten Marktrisikoprämien seit dem Beginn des Ukraine-Krieges zunächst kurzfristig tendenziell erhöht haben. Durch die Erhöhung des allgemeinen Zinsniveaus sowie die zunehmende Erholung der Aktienmärkte seit Herbst 2022 haben sich die impliziten Marktrisikoprämien dann signifikant reduziert und liegen aktuell mit Werten zwischen 6,0 % und 7,0 % unterhalb der Werte, die vor Beginn des Ukraine-Krieges zu beobachten waren. In Folge der Leitzinserhöhungen steigen zum anderen grundsätzlich auch die Fremdkapitalkosten entsprechend.
Steigende Inflationsraten und Zinsen wirken sich auf beide bewertungsrelevante Paramater (Cashflows und Kapitalkosten) aus. Für jede Unternehmensbewertung müssen entsprechend spezifische Überlegungen angestellt werden, um die derzeitige Entwicklung beider Parameter adäquat abzubilden. In vielen Fällen können sinkende Unternehmenswerte die Folge sein. Bei anstehenden Bewertungsanlässen sollten diese aktuellen Entwicklungen in die weiteren Überlegungen proaktiv einbezogen werden.
Autor: Ronald Storp, CFA, CVA, München
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