Der Bereich Mergers & Acquisitions (M&A) zählt heute zu den bedeutsamsten Strategiefeldern von Unternehmen. Bereits die Bekanntmachung eines beabsichtigten Unternehmenserwerbs stellt für den Kapitalmarkt ein wichtiges Ereignis dar, bei dem es zu Kursanomalien sowohl auf der Seite des zu kaufenden Unternehmens als auch auf der Seite des Käufers kommen kann.
Bei der Einschätzung, ob Transaktionen wirtschaftlich sinnvoll sind, ist ein Verständnis für die individuellen Strategieüberlegungen und Beweggründe der erwerbenden Unternehmen entscheidend. Bei Unternehmensfusionen und -übernahmen strebt der Käufer i.d.R. Vorteile an, insbesondere eine gesteigerte Effizienz durch Synergien.
Doch die tatsächliche Realisierung von „Synergiegewinnen“ gestaltet sich oft schwierig. Gründe für die Kluft zwischen erwarteten und tatsächlichen Synergien sind vielfältig. Die Integration von Kulturen und Prozessen kann schwieriger sein als gedacht. Die daraus resultierende Komplexität erfordert eine sorgfältige Planung und Umsetzung der Transaktion (und der Integration des zu übernehmenden Unternehmens). Unerwartete Herausforderungen (wie regulatorische Hindernisse, Ressourcenmangel oder Marktveränderungen) erschweren dies zusätzlich. Die Vergangenheit zeigt, dass Transaktionen vom Markt nicht immer positiv beurteilt werden und es neben positiven Kursentwicklungen in Folge von Akquisitionen auch zu entgegengesetzten Effekten kommen kann.
Der Einfluss von M&A-Transaktionen auf die Aktienkursentwicklung von DAX Unternehmen wird im Folgenden auf Basis einer wissenschaftlichen Arbeit der Frankfurt School of Finance & Management aus 2023 näher erläutert.
Zur Ermittlung der Effekte am Kapitalmarkt wurden sog. Eventstudien verwendet. Die Event Study-Analyse ist eine Methode, um zu verstehen, wie eine Ankündigung oder ein Ereignis den Aktienmarkt beeinflusst. Bei dieser Methode betrachtet man, wie sich die Aktienkurse von Unternehmen vor und nach einem Ereignis verhalten, wie z.B. bei einer Übernahme. Man vergleicht die tatsächlichen Veränderungen der Aktienkurse mit dem, was man erwartet hätte, wenn das Ereignis nicht stattgefunden hätte.
Dafür verwendet man mathematische Modelle. Ein Modell namens "Market Model" soll vorhersagen, wie sich eine Aktie normalerweise verhalten würde, also ohne besondere Ereignisse. Man untersucht dann, wie die tatsächlichen Kursbewegungen von diesem Modell abweichen. Diese Abweichungen nennt man "Abnormal Returns". Man addiert diese Abweichungen über einen Zeitraum hinweg, um den "Cumulative Average Abnormal Return" (CAAR) zu bekommen. Ein positiver CAAR bedeutet, dass die Aktien besser abschneiden als ohne das Ereignis zu erwarten war, ein negativer CAAR bedeutet das Gegenteil.
Beobachtet wurden alle Transaktionen in dem Zeitraum zwischen dem 01.01.2000 und dem 31.12.2020, die durch DAX-Unternehmen angekündigt wurden. Dabei wurden Auf- und Abstiege von Unternehmen in und aus dem Leitindex, sowie Namensänderungen, Fusionen etc. mitberücksichtigt.
Die kumulativen abnormalen Renditen (CAARs) wurden 30 Tage um den Ankündigungszeitpunkt [-30 /+30], also für einen Zeitraum von insgesamt 61 Tagen betrachtet. Der Ankündigungszeitpunkt ist der Tag, an dem das DAX-Mitglied seine ad-hoc-Meldung zur möglichen Übernahme eines Unternehmens veröffentlicht hat. Die Datenerhebung greift auf 1.587 relevante Transaktionen zurück.
Das Gesamt-Sample von 1.587 relevanten Transaktionen verteilt sich auf 335 (21,1 %) Inlands-Transaktionen und 1.252 (78,9 %) Crossborder-Transaktionen. Auffällig ist, dass deutsche Unternehmen überwiegend auf Targets im Ausland setzen. Es ist deutlich zu erkennen, dass Crossborder-Transaktionen am Kapitalmarkt positiver assoziiert werden als Inlands-Transaktionen. Plausible Begründungen dafür, dass die Inlands Transaktionen negativere CAARs als Crossborder-Transaktionen haben, können folgende sein: (i) Bei DAX-Unternehmen ist von einer großen Marktdurchdringung im eigenen Land auszugehen, weshalb Crossborder-Transaktionen vom Markt tendenziell häufiger als positive Expansion in neue Märkte assoziiert werden könnten. (ii) Aufgrund der hohen Standards im deutschen Markt vermutet man bei Unternehmenstransaktionen in anderen Ländern erzielbare Kostenvorteile (z.B. Personal- und Energiekosten, geringere Regulatorik).
Das Gesamt-Sample von 1.587 Transaktionen beinhaltet 673 Transaktionen, bei denen keine Unternehmensgröße bekannt ist. Die verbleibenden 914 relevanten Transaktionen teilen sich in 619 (67,7 %) Transaktionen mit einem Unternehmenswert (Enterprise Value bzw. EV) von weniger als € 500 Mio. und 295 (32,3 %) Transaktionen mit einem EV von mindestens € 500 Mio. auf. Es wird deutlich, dass in ausnahmslos allen Zeiträumen die CAARs bei Transaktionen mit einem Unternehmenswert größer/gleich € 500 Mio. negativ waren. Auf der anderen Seite finden sich bei den Transaktionen mit einem EV < € 500 Mio. keinerlei Signifikanzen und auch die CAARs bewegen sich tendenziell eher um Null. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass allem Anschein nach Transaktionen mit einem niedrigeren EV marktseitig nicht signifikant kritisch beurteilt werden. Hingegen werden Großtransaktionen (EV >= € 500 Mio.) mit Skepsis beurteilt.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die analysierten DAX-Unternehmen mit insgesamt 1.587 Unternehmensakquisitionen von 2000 bis 2020 im Durchschnitt negative abnormale Renditen (CAARs) aufweisen. Dadurch ist letztlich eine „Wertvernichtung“ durch die Akquisitionen erkennbar. Die geografische Analyse zeigt, dass Crossborder Transaktionen positiver am Kapitalmarkt bewertet werden als Inlands-Transaktionen. Die Größenanalyse deutet darauf hin, dass Transaktionen mit höherem Unternehmenswert (>= € 500 Mio.) negativ bewertet, während solche mit niedrigerem Wert (< € 500 Mio.) weniger kritisch beurteilt werden. Die wichtigste Erkenntnis ist jedoch, dass die mangelnde positive Marktreaktion vielfach auf eine unzureichende Kommunikation an sich guter Transaktionen zurückzuführen sein dürfte. Dies ist der wohl größte Unterschied zu Transaktionen von U.S.-Unternehmen, bei denen überwiegend positive abnormale Renditen zu verzeichnen sind. Mangelnde wertfördernde Kommunikation in Deutschland scheint oftmals den Kapitalmarkt daran zu hindern, angemessen positiv zu reagieren. Dies zeigt die Bedeutung einer guten und effektiven Transaktionskommunikation, um eine korrekte Wahrnehmung und Bewertung durch den Kapitalmarkt zu gewährleisten.
Autor: Marius Matis, München
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