Der IDW Praxishinweis 2/2018 konkretisiert auf Basis des IDW S 1 i.d.F. 2008 die Besonderheiten, die bei der Unternehmensbewertung von hoch verschuldeten Unternehmen regelmäßig auftreten und liefert Hilfestellungen, wie diese bei der praktischen Umsetzung fachgerecht berücksichtigt werden können. Zentraler Aspekt ist die Empfehlung, hoch verschuldete Unternehmen auf der Basis einer Bruttomethode zu bewerten. Hierbei wird in einem ersten Schritt – unabhängig von der Höhe der Verschuldung – ein Barwert der operativen finanziellen Überschüsse ermittelt. Nach Auffassung des Fachausschusses für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft (FAUB) des IDW ist es sachgerecht, den zur Diskontierung der finanziellen Überschüsse zu verwendenden Zinssatz - unabhängig von der hohen Verschuldung - aus den Kapitalkosten der Peer Group (normal verschuldete Unternehmen) abzuleiten. Der Zinssatz bildet folglich lediglich das operative Unternehmensrisiko ab. In einem zweiten Schritt wird der Marktwert des Fremdkapitals abgezogen. Der Verschuldungsgrad eines Unternehmens spielt eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung der finanziellen Stabilität und des Risikos eines Unternehmens. Mit zunehmender Verschuldung steigt das finanzielle Risiko. Dies kann zu Liquiditätsengpässen und gegebenenfalls auch zu einer Insolvenz führen. Investoren verlangen daher i.d.R. eine höhere Rendite für das zusätzliche Risiko in Folge einer zusätzlichen Verschuldung, was zu höheren Kapitalkosten führt. Um das von den Fremdkapitalgebern übernommene systematische Risiko zu berücksichtigen, empfiehlt der IDW Praxishinweis 2/2018 die Verwendung eines sog. Beta Debt. Damit wird berücksichtigt, dass die Fremdkapitalgeber einen Teil des operativen Risikos des Unternehmens übernehmen.
In Bezug auf die variierende Verschuldung wird im Praxishinweis zwischen „gering verschuldeten“, „normal verschuldeten“, „hoch verschuldeten“ und „überhöht verschuldeten“ Unternehmen differenziert. Ein Unternehmen gilt nach dem Hinweis als „hoch verschuldet“, wenn dessen Fremdkapital ein materielles Ausfallrisiko aufweist und/oder dessen Verschuldungsgrad im Vergleich zum Verschuldungsgrad der Peer Group erheblich höher ist. Unternehmen mit zweifelhafter Going-Concern-Prämisse werden als „überhöht verschuldete“ Unternehmen kategorisiert. Für diese sind deutlich erhöhte Planungsunsicherheiten und spezifische Bewertungsbesonderheiten zu beachten. Eine solche Besonderheit der Bewertung stellt z.B. die konsistente und transparente Berücksichtigung von Sanierungsmaßnahmen sowie von Kosten der überhöhten Verschuldung (z.B. Insolvenzverwalterkosten) im Rahmen der Unternehmensplanung dar.
Die im September 2023 veröffentlichte überarbeitete Fassung des Praxishinweises 2/2018 („IDW Bewertungshinweis 1/2023“) ersetzt die vorhergehende Fassung aus dem Jahr 2018. Die bisherigen Ausführungen im Praxishinweis 2/2018 wurden dabei weitgehend übernommen. Neben der Schärfung von Begrifflichkeiten, insbesondere im Hinblick auf Kapitalstruktur- und Ausfallrisiken, wurden auch Erläuterungen zu Insolvenzkosten sowie den daraus resultierenden Veränderungen in den operativen Risiken und Kapitalstrukturrisiken eingeführt. Darüber hinaus wurden Ausführungen zu Indikatoren für Ausfallrisiken, einschließlich der Bedeutung von Ratings, hinzugefügt. Zusätzlich wurde die Möglichkeit einer objektivierten Bewertung für Unternehmen mit übermäßiger Verschuldung, bei denen eine konventionelle, objektive Bewertung nicht möglich ist, unter der Bedingung einer erfolgreichen Sanierung eingefügt. Die in der Niedrigzinsphase aufgebaute Verschuldung bei nunmehr ansteigenden Zinssätzen in Kombination mit Preisanstiegen bei den Input-Faktoren stellt eine deutliche Belastung für viele Unternehmen dar. Die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen hat seit August 2022 kontinuierlich zugenommen. Das Statistische Bundesamt verzeichnete im Juli 2023 1.586 beantragte Unternehmensinsolvenzen, was einen Anstieg von 37,4 % im Vergleich zum Vorjahreswert darstellt. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung kommt der sachgerechten Berücksichtigung des Verschuldungsgrades bei Unternehmensbewertungen eine zunehmende Bedeutung zu. Hierzu liefert der neue IDW Bewertungshinweis 1/2023 Hilfestellungen hinsichtlich eines adäquaten Bewertungsansatzes je nach Verschuldungsgrad des zu bewertenden Unternehmens.
Autor:innen: Iva Mincheva und Lars Neugebauer, beide Frankfurt a. M.
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