Die Insolvenzordnung kennt drei Gründe, eine Insolvenz zu beantragen: die Zahlungsunfähigkeit, die drohende Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung. Während die Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung eine Insolvenzantragspflicht bewirken, begründet die drohende Zahlungsunfähigkeit nur ein Recht, die Insolvenz zu beantragen. Die drohende Zahlungsunfähigkeit ist somit eher als eine Zugangsvoraussetzung für den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen des StaRUG interessant.
Weist ein zum Stichtag aufgestellter Finanzstatus aus, dass der Schuldner sämtliche fällige Zahlungsverpflichtungen erfüllen kann, ist keine Zahlungsunfähigkeit gegeben und ein Finanzplan erübrigt sich. Sind nicht alle fälligen Zahlungsverpflichtungen durch Liquidität gedeckt, ist ein Finanzplan aufzustellen. Die Zahlungsunfähigkeit ist von nur vorübergehenden Zahlungsstockungen zu unterscheiden. Zahlungsstockungen liegen vor, wenn fällige Verbindlichkeiten nicht fristgerecht, aber innerhalb eines Dreiwochenzeitraums zu mehr als 90 % gezahlt werden können. Verbleibt am Ende des Dreiwochenzeitraums eine Liquiditätslücke größer gleich 10 %, liegt Zahlungsunfähigkeit vor. Besteht eine Liquiditätslücke von kleiner 10 %, ist von Zahlungsstockung auszugehen. In den Fällen der Zahlungsstockung ist ein Liquiditätsplan aufzustellen, der das vollständige Schließen der Liquiditätslücke innerhalb von längstens drei Monaten darstellt, ansonsten ist ebenfalls von Zahlungsunfähigkeit auszugehen.
Deckt das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr, liegt gem. § 19 Abs. 2 InsO Überschuldung vor. Wesentlich für deren Feststellung ist die zweistufige Überschuldungsprüfung. Die erste Stufe ist die Fortbestehensprognose. In ihr wird, ausgehend von der Stichtagsliquidität auf Grundlage des Unternehmenskonzepts und des aus der integrierten Planung abgeleiteten Finanzplans, die Lebensfähigkeit des Unternehmens für die nächsten 12 Monate (bisher: i.d.R. laufendes und nächstes Geschäftsjahr) abgeleitet. Ist die Fortbestehensprognose positiv, liegt keine insolvenzrechtliche Überschuldung vor. Ist sie hingegen innerhalb des Prognosezeitraums von 12 Monaten negativ, ist ein Überschuldungsstatus aufzustellen; ist hier das zu Liquidationswerten bewertete Reinvermögen negativ, liegt Überschuldung vor und es besteht Insolvenzantragspflicht.
Ist das zu Liquidationswerten bewertete Reinvermögen hingegen positiv, besteht ein Insolvenzantragsrecht auf Grund einer drohenden Zahlungsunfähigkeit gem. § 18 InsO und keine Pflicht. Gleiches gilt bei einer negativen Fortbestehensprognose für einen Prognosezeitraum ab dem 13. bis zum 24. Folgemonat. Für die drohende Zahlungsunfähigkeit wird somit der Prognosezeitraum auf 24 Monate verlängert.
Die geänderte Insolvenzordnung sieht bei Zahlungsunfähigkeit unverändert eine Frist von drei Wochen, bei Überschuldung hingegen nun eine Frist von sechs Wochen für den Insolvenzantrag vor.
Mit den neuen Regelungen werden Überschuldung und drohende Zahlungsunfähigkeit künftig stärker voneinander abgegrenzt. Noch nicht überschuldeten Unternehmen wird ein Zugang zu einer Restrukturierung erleichtert. Zudem werden Rechtsunsicherheiten in Bezug auf die Länge des maßgeblichen Prognosezeitraums verringert. Das IDW empfiehlt, den neuen Standardentwurf auf Grund der zum 01.01.2021 in Kraft getretenen Änderungen der Insolvenzordnung bereits vor der endgültigen Verabschiedung anzuwenden.
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Autor: Udo Hesemann
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