Wie bereits im WTS Journal 03/2022 berichtet, hat die EFRAG (European Financial Reporting Advisory Group) Ende April Konsultationsentwürfe von zwei themenübergreifenden und elf themenspezifischen Standards (ESRS European Sustainability Reporting Standards) veröffentlicht. Diese sollen die Anforderungen der CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) konkretisieren. Die Konsultationsperiode für die ESRS endete am 08.08.2022.
Das ISSB (International Sustainability Standards Board), das von der IFRS Foundation Ende 2021 gegründet wurde und seinen Hauptsitz in Frankfurt a. M. hat, hat im März 2022 zwei Standardentwürfe – einen themenübergreifenden allgemeinen (IFRS S1) und einen ersten klimabezogenen Standard (IFRS S2) – veröffentlicht, zu denen man bis zum 29.07.2022 Stellungnahmen abgeben konnte.
Auch wenn das ISSB erst einen themenspezifischen Standard zu klimabezogenen Angaben erstellt hat, kann bereits festgestellt werden, dass das ISSB wie bei den Accounting Standards auch bei den Sustainability Standards weiterhin den „principle based approach“ anwendet. Die EFRAG dagegen verfolgt mit den ESRS eher einen „rule based approach“, der zu sehr detaillierten und komplexen Berichterstattungsanforderungen führt. In den themenspezifischen Standardentwürfen zu Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen sind über 130 Berichtspflichten vorgesehen. Das DRSC (Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee) stellt deshalb in seiner Stellungnahme zu den ESRS in Frage, ob damit noch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt sei. Diese signifikante Ausweitung der Berichtspflichten muss auch vor dem Hintergrund der Erweiterung der Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung auf alle Kapitalgesellschaften gewürdigt werden. In Deutschland wird die Anzahl der berichtspflichtigen Unternehmen von derzeit 500 auf ca. 15.000 ansteigen, von denen sich viele bisher mit dem Thema höchstens am Rande beschäftigt haben.
Obwohl die EFRAG mit dem ISSB zusammenarbeitet, hat sie nicht die sich anbietende Gelegenheit wahrgenommen, die IFRS Sustainability Standards als „global baseline“ zu nutzen. Auch das DRSC sieht es als äußerst wichtig an, dass die ESRS mit den internationalen Sustainability Standards kompatibel sind. Die ESRS sollten deshalb auf den international anerkannten Sustainability Standards aufbauen. Diese könnten für europäische Anforderungen erweitert werden. Dazu ist es jedoch unabdingbar, dass Übereinstimmung in der Terminologie besteht. So sollte z.B. der Begriff der „financial materiality“ einheitlich definiert werden. Die ESRS können deshalb weiterhin das Prinzip der doppelten Wesentlichkeit verfolgen, auch wenn der IFRS S1 Wesentlichkeit nur nach dem outside-in-Prinzip definiert.
Ein weiterer wesentlicher Unterschied besteht darin, dass ESRS 2 alle Nachhaltigkeitsthemen, die Bestandteil der themenspezifischen Standards sind, als wesentlich einstuft, sofern das Unternehmen nicht belegt, dass sie unwesentlich sind. Die Unternehmen müssen dies nicht nur prüfen, sondern in der Berichterstattung für jedes als unwesentlich eingestufte Nachhaltigkeitsthema Rechenschaft ablegen, indem die Rechtfertigung und Nachweise für die Beurteilung offengelegt werden. Es erschließt sich nicht, warum eine Liste der für das berichtende Unternehmen unwesentlichen Nachhaltigkeitsthemen für die Stakeholder eine entscheidungsrelevante Information darstellen soll.
Wegen der Vielzahl der Berichtsanforderungen schlägt das DRSC eine gestaffelte Einführung einzelner Berichtspflichten vor. Dies sollte in unterschiedlicher Geschwindigkeit geschehen, je nachdem, ob die Unternehmen bereits heute der Pflicht zur Offenlegung nicht-finanzieller Information unterliegen oder erstmalig zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet werden.
Es bleibt nun abzuwarten, wie sich der Konsultationsprozess auf die finalen ESRS auswirken wird, die Ende dieses Jahres durch delegierten Rechtsakt in Kraft treten sollen.
Autor: Harald v. Heynitz, München
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